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Raum für die Geistkraft Gottes?! Apg 2,1-8.11+12 / Gen 11,1-8

Meine Pfingstpredigt

Dass es an Pfingsten Schulferien gibt, das wissen alle;

dass Pfingsten zu allererst jedoch einer der höchsten kirchlichen Feiertage ist, das kümmert die meisten unserer Mitmenschen, ja selbst unserer MitchristInnen kaum noch!

Pfingsten, das Fest der Gabe des Heiligen Geistes an uns Menschen, damit durch ihn und so dann auch durch uns weitergehen kann, was mit Jesus neu begonnen hat; – Pfingsten, also recht besehen der Geburtstag der Kirche Jesu Christi. Aber kaum jemand feiert ihn!

Wir sollten uns dadurch nicht entmutigen lassen. Viele wissen eben auch deshalb gar nichts mehr mit Pfingsten anzufangen, weil sie mit dem Heiligen Geist nichts mehr anfangen können: Er ist für sie zu einer frommen Floskel geworden, die immer wieder einmal im Gottesdienst vorkommt, aber für sie letztlich nicht mehr inhaltlich gefüllt ist.

Und ehrlich, geht es uns da so viel anders? Stoßen nicht auch wir an die Grenzen unserer Fähigkeit, zu verstehen und sprachlich verständlich zu machen, was wir meinen, wenn wir vom Heiligen Geist sprechen? Das hebräische Wort dafür lautet „ruach“ und ist weiblich, am besten übersetzt mit „Geistkraft“. Die „Heilige Geistkraft“, also die Kraft, mit der Gott wirkt, mit der er Jesus befähigt hat, in seinem Sinne zu wirken, mit der er uns täglich neu befähigt, in seinem Sinne in seiner Welt Wirkung zu erzeugen.

Mir hat da übrigens eine Bibelstelle weitergeholfen, die auf den ersten Blick so gar nichts mit dem Heiligen Geist oder mit Pfingsten zu tun hat; sie steht im Alten Testament am Ende der Urgeschichte im 1. Mose 11,1-8:

Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. Als sie nun nach Osten zogen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel  und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder. Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! So zerstreute sie der HERR von dort in alle Länder, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen.

Einen Turm wollen sie bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reicht, um sich einen Namen zu machen. Und ausgerechnet dieses Projekt, das die Fähigkeit der Menschen und ihre Macht beweisen soll, offenbart in erschreckender Deutlichkeit ihre Unfähigkeit und Ohnmacht.

Eine faszinierende Geschichte, die bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Eine nur noch auf sich selbst fixierte, nur noch auf Macht und Ansehen ausgerichtete Menschheit verliert die Fähigkeit, miteinander zu sprechen und im Gespräch zu bleiben, verliert die Fähigkeit, sich miteinander zu verständigen, und verliert so letztlich die Fähigkeit, miteinander zu leben.

Das ist ja für uns nichts Neues:

Wo die Bereitschaft zur Verständigung nicht mehr im Mittelpunkt menschlichen Bemühens steht, verkommt jedes Zusammenleben zur Farce, zu einer Lebenslüge, die einseitig die Starken favorisiert und die Schwachen zerstört, im Großen wie im Kleinen.

Wir leben in einer Welt, die voll ist von solchen babylonischen Türmen, – vielleicht bauen wir durch unser eigenes Denken, Reden oder Tun sogar selbst an so einem Turm mit! – wir leben in einer Welt, in der immer mehr Menschen unter dem Fluch der Verständnislosigkeit leiden.

Die Verfasser der Urgeschichte kam damals zu dem Urteil: Gott hat diesen nur auf Macht und Ansehen ausgerichteten Menschen die Fähigkeit der Verständigung entzogen. Und so scheint es ja auch bis heute immer noch zu sein.

Aber, und das ist nun das Besondere, mit Pfingsten hat Gott, ich möchte es einmal nennen, sein Alternativprojekt gestartet, sein Projekt, das der Sprachenverwirrung ein Ende setzen und in wunderbarer Weise menschliche Verständnislosigkeit aufbrechen soll:

Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Und doch hören wir sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden.

Es ist gar nicht so wichtig, dass wir verstehen, was der Heilige Geist ist, als vielmehr, dass wir wahrnehmen, wie er bei und unter uns Menschen wirkt: Dass Menschen sich über alle Sprachbarrieren hinweg verstehen; dass Gott sich Raum schafft bei uns durch diesen Geist, der uns lehrt, ihn und einander zu verstehen.

Das heißt: Durch seinen Geist, durch die Kraft seines Geistes ist Gott selbst bei uns am Werk, macht er uns offen füreinander, macht er uns frei von der Fixiertheit auf uns selbst, befähigt er uns, mit dem Herzen zu sehen und zu hören und so viel verständnisvoller zu werden für uns selbst und für die Menschen, die uns umgeben; durch seine Geistkraft gibt Gott uns oft ungeahnte Kräfte, um dem standzuhalten, was unser Leben und Zusammenleben uns abverlangt; durch seinen Geist weitet Gott uns den Blick, damit wir wahrnehmen können, was er uns sichtbar macht. Durch seine Geistkraft macht er uns gütiger und gnädiger gerade auch Anders denkenden gegenüber.

Nur, sind wir bereit dazu, diesem Geist Gottes Raum zu geben bei uns; lassen wir es zu, dass er in uns und durch uns wirkt?

Es ist ganz erstaunlich, wie dieses Projekt Gottes die Menschen zu verändern vermag. Hieß es beim Turmbau noch: „Lasst uns einen Turm bauen, damit wir uns einen Namen machen,“ so war die Reaktion der Menschen auf das Pfingstereignis die Frage: „Was sollen wir tun?“ Eben nicht so aufzutreten, als ob sie alles schon im Griff hätten, sondern bereit zu sein dafür, sich den Weg zeigen zu lassen im Hören auf das, was Gott uns zu sagen hat.

Auch wenn das Gefühl der Ohnmacht in Bezug auf die Zustände und Entwicklungen in unserer Welt uns oft fast den Mut nimmt und die Flucht in die Resignation bei vielen Menschen zunimmt nach dem Motto: „Da kann man ja doch nichts dagegen machen!“ – Gott hat sein Alternativprojekt für diese Welt und traut uns zu, es mit ihm zusammen, aber dann eben auch im Miteinander mit all denen, die in seinem Geist verbunden sind und sich verbunden fühlen, zu verwirklichen.

Das hat Jesus gemeint, wenn er damals dem einfachen Volk zugerufen hat: „Ihr seid das Licht der Welt.“

Ihr werdet nicht verhindern können, dass es Dunkelheit in dieser Welt gibt, denn es wird immer noch genügend Menschen geben, die von der Mentalität der babylonischen Turmbauer geprägt sind. Aber dort, wo ihr ihnen widersprecht, wo ihr ihnen vorlebt, dass bei den Menschen, die auf Gott vertrauen, nicht nur andere Werte gelten, sondern dass eine dementsprechende Lebensweise ihr Leben und euer Zusammenleben bereichert und mit Hoffnung erfüllt, da wird es euch gelingen, eure Umwelt zu verändern, andere anzustecken, werdet ihr die Dunkelheit dort, wo ihr wirkt, zurückdrängen und damit auch für andere Menschen Freiräume des Lichtes schaffen.

Verbunden in demselben Geist, durch den derselbe Gott an uns und durch uns wirkt, – damit wurde Pfingsten zum Ausgangspunkt jener neuen Bewegung, die weltweit „Kirche“ genannt wird, und erinnert uns zugleich immer wieder daran, wie wichtig es ist, dass wir in unserer Kirche und in unserem persönlichen Leben dieser Geistkraft Gottes Raum lassen, damit Gott in uns und durch uns wirken kann.

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