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SZENISCHE PREDIGT zur TEMPELREINIGUNG Markus 11,15-18

Konfirmandengesprächsgottesdienst 2000

(die Texte wurden erarbeitet von den Konfis Jahrgang 2000 der Stadtkirchengemeinde, von Pfr. G. Metzger überarbeitet und von den Konfis vorgetragen)

ZEITUNGSARTIKEL

JERUSALEM TIMES Extraausgabe zum Passafest

Tumult im Tempel

Jerusalem: Während der Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten zum diesjährigen Passafest hat ein Unbekannter die Verkaufsstände mehrerer Händler umgeworfen und verwüstet. Es scheint sich bei ihm um einen religiösen Fanatiker zu handeln. Höchst erregt soll er herumgeschrieen haben: „Gott spricht: Mein Haus soll ein Bethaus sein für alle Völker. Ihr aber,“ so habe er die Händler angefahren, „habt daraus eine Räuberhöhle gemacht!“ Bevor die römische Tempelwache jedoch eingreifen mußte, hatte sich der Tumult wieder aufgelöst. Zur Zeit gibt es noch keine nähere Angaben zu dem Unbekannten. Genauso wenig ist bekannt, wo er sich momentan aufhält. Der römische Stadthalter Pontius Pilatus drohte an, die Passafeierlichkeiten zu verbieten, falls es weiter zu solchen Zwischenfällen kommen würde. Die Hohenpriester trafen sich zu einer Dringlichkeitssitzung und die Sprecher der Jerusalemer Händlervereinigung äußerten sich voller Empörung über diesen unverschämten Eingriff in die Belange der örtlichen Wirtschaft, die sich, wie sie ausdrücklich betonten, bisher immer verantwortungsvoll für die reibungslose Durchführung des Passafestes eingesetzt habe.

SKETCH

R:                  Habt ihr schon davon gehört?

A:                   Wovon denn?

R:                  Von diesem Irren, der heute unsere Stände

                      umgeschmissen hat und uns das ganze

                      Geschäft versaut hat.

P:                   Ja natürlich. Meinen Stand hat er auch

                      verwüstet, dieser verrückte Jesus.

W:                  Wieso hat er das denn nur gemacht?

                      Welchen Grund hatte er dafür?

A:                   Weißt du, der Grund ist mir eigentlich ganz

                      egal. Ich weiß nur eines: Wenn jetzt meine

                      Einnahmen ausbleiben, dann nagt meine

                      Familie am Hungertuch.

R:                  Er hat uns vorgeworfen, wir hätten den

                      Tempel in eine Räuberhöhle verwandelt.

                      Dabei werden dort sein Menschengedenken

                      Opfertiere und Souvenirs verkauft.

P:                   Stellt euch vor: Ich hatte durch diesen Vorfall

                      fast keine Einnahmen. Es wäre ganz schlimm

                            für mich, wenn ich auf meiner Ware

                            sitzenbliebe. Übermorgen muß ich die

                            nächste Rate zahlen und ich weiß nicht, wie!

W:                  Also wißt ihr, auch wenn ihr jetzt sauer auf

                      mich seid: Ich kann ihn schon verstehen. Und

                      ich glaube, er hat schon ein bißchen recht mit

                      dem, was er gesagt hat. Ich finde, in der

                      letzten Zeit habt ihr echt ein bißchen

                      übertrieben mit der ganzen Verkauferei. Man

                      hatte ja fast den Eindruck, der Tempel ist

                      nichts anderes als ein riesen Geschäft.

R:                  Du magst ja recht haben, aber wie sollen wir

                      sonst unsere Familien ernähren?

A:                   Genau! Wir könnten anders nicht überleben.

                      Wir brauchen das Geld.

W:                  Also so schlecht geht es euch jetzt auch

                      wieder nicht! Wenn ich eure Häuser sehe und

                      den Schmuck eurer Frauen!

P:                   Wir könnten ja wenigstens vor dem Tempel

                      verkaufen.

R:                  Quatsch! Da nehmen wir längst nicht so viel

                      ein wie drinnen im Tempel.

W:                  Aber besser als gar keine Einnahmen!

A:                   Mir jedenfalls kann dieser Jesus gestohlen

                      bleiben! Er soll lieber in Galiläa bleiben, wo er

                      herkommt!

R:                  Genau! Aber jetzt wollen wir erst einmal

                      miteinander anstoßen. Wir lassen uns doch

                      von dem nicht die Stimmung verderben. Prost!

Alle:              Na dann Prost!

FERNSEHNACHRICHTEN

Wir unterbrechen kurz unser laufendes Programm für Sondernachrichten.

Willkommen bei JBS-News. Mein Name ist Ruben Ben Naphtali.

Jerusalem

Zum ersten Mal in der Geschichte des neuen Israel ereigneten sich heute Mittag im Tempel tumultartige Zusammenstöße. Ausgelöst wurden sie durch den umstrittenen Wanderprediger und Wunderheiler Jesus aus Galiläa, der sich nach Betreten des Tempels mit den Händlern anlegte, die dort ihre Stände haben. Im Laufe einer immer lauter werdenden Auseinandersetzung begann er, Tische und Stände umzuwerfen. Um ihre Waren und Opfertiere zu schützen, wurden die Händler handgreiflich, wodurch die Situation eskalierte.

Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren haben, soll dieser Jesus dabei den Händlern vorgeworfen haben, sie hätten das Bethaus Gottes in eine Räuberhöhle verwandelt. Der Sprecher der Jerusalemer Händlervereinigung wies diesen Vorwurf aufs schärfste zurück. Nach seinen Worten seien die Geschäfte im Tempel immer ehrlich und rechtens abgewickelt worden.

Der Hohepriester hat das Synhedrion zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengerufen.

Überraschend scheint die Tatsache, dass Jesus mit seiner Aktion bei breiten Bevölkerungsschichten auf Zustimmung gestoßen ist.

Und nun zum Wetter: ……

PROTOKOLL DER SONDERSITZUNG DES SYNHEDRIONS

Anwesend: Der Hohepriester Kaiphas, sein Stellvertreter und die restlichen Mitglieder des Synhedrions bis auf die erkrankten Priester Ananias und Jehu

Ort: im Hause des Hohenpriesters Kaiphas

Einziger Verhandlungspunkt: Das skandalöse Verhalten Jesu von Nazareth im Tempel.

Der Priester Eliahu berichtet als einziger Augenzeuge der Anwesenden, er habe gesehen, wie dieser Jesus mit einigen seiner äußerst suspekten Begleiter – es sollen sogar noch zwei Frauen dabei gewesen sein! – den Vorhof des Tempels betreten und unmittelbar darauf lautstark zu randalieren begonnen habe. Zunächst habe er die sich dort befindenden Händler unflätigst beschimpft und dann damit begonnen, ihre Tische und Stände umzuwerfen. Keiner seiner Begleiter habe ihm dabei geholfen, aber auch keiner von ihnen habe ihn zurückgehalten. Schnell sei es zu einem Menschenauflauf gekommen, auf den sogar die Tempelwache aufmerksam geworden wäre. Dann habe Jesus nur noch herumgeschrieen, wir Priester würden den Tempel zu einer Räuberhöhle verkommen lassen. Ein Großteil der Zuhörenden habe ihm dafür applaudiert.

Nach kurzer allgemeiner Aussprache wurde bei zwei Enthaltungen beschlossen:

  1. Obwohl dieser Jesus angeblich die Thora zitiert habe, hat er durch sein Verhalten die Ruhe im Tempel gestört und dort unbescholtene Kaufleute beleidigt.
  2. Da er schon mehrfach früher durch unverschämtes Reden über Priester, Pharisäer und Schriftgelehrte aufgefallen ist und damit das Volk gegen sie aufgewiegelt hat, muß er so schnell wie möglich aus dem Weg geschafft werden, bevor er noch mehr Schaden anrichten kann.
  3. Es soll nach geeigneten Möglichkeiten gesucht werden, um ihn bald möglichst unauffällig zu verhaften und abzuurteilen.

Für die Richtigkeit: Ari Ben Naphtali, Protokollführer

BERICHT AN PONTIUS PILATUS

Verfertigt von Zenturio Dumdödelnix, diensthabender Verantwortlicher der Tempelwache:

Kurz nach Mittag drangen 8 Personen unter der Führung eines stadtbekannten Unruhestifters mit Namen Jesus, einem Galiläer, in den Vorhof des Tempels ein und fingen an, die dort friedlich verkaufenden Händler zu beschimpfen. Kurze Zeit später stieß er sämtliche Tische und Stände in seiner Reichweite um, so dass die Waren auf den Boden fielen. Auch den Tisch eines Geldwechslers warf er um. In kürzester Zeit kam es zu einem für uns immer bedrohlicher werdenden Menschenauflauf. Die Situation schien zu eskalieren. Aber dann löste sich plötzlich alles wieder auf. Gerne hätten wir uns diesen Jesus ein wenig näher angeschaut, aber er war im Getümmel bereits verschwunden.

Es scheint mir auf jeden Fall ratsam, ihn in den nächsten Tagen aufmerksamer zu überwachen, weil er bei der einfachen Bevölkerung offensichtlich über große Sympathien verfügt und das in diesen Tagen des Passafestes, in denen sich unheimlich viele Juden in Jerusalem befinden, leicht zu Unruhen gegen uns ausnützen könnte.

Ich warte in diesem Zusammenhang auf weitere Befehle.

Gezeichnet Dumdödelnix, Zenturio

BRIEF EINES PASSAFESTPILGERS AN SEINE MUTTER

Liebe Mutter,

nach einer langen und beschwerlichen Reise bin ich vorgestern rechtzeitig in Jerusalem eingetroffen. Ich fand auch schnell eine Unterkunft ganz in der Nähe des Tempelberges. Heute Mittag war ich dann wie in jedem Jahr im Vorhof des Tempels, um das von dir bezahlte Opfertier zu kaufen. Ich war schon mitten beim Handeln, als plötzlich nur wenige Meter von mir entfernt ein sonderbarer Mensch zu randalieren begann. Man sagte mir, er hieße Jesus und käme aus Galiläa. Und genauso einen Eindruck machte er auch auf mich. Du hast mir ja selbst einmal erzählt, das seien alle so ungehobelte Kerle. Zunächst verstand ich nicht, was er eigentlich wollte. Er schrie die Händler an, dies hier sei ein Bethaus Gottes und nicht ein Kaufhaus oder so. Und dann wurde er rabiat und begann, die Tische umzuwerfen und die Händler aus dem Tempel zu jagen. Es war ein riesiges Durcheinander. Als ich mich wieder meinem Händler zuwandte, war der weg. Ich habe noch eine gute halbe Stunde gewartet, aber er tauchte nicht mehr auf. Jetzt sieht es so aus, als ob ich zum ersten Mal beim Passafest kein Opfertier habe. Welch eine Enttäuschung. Gewiss auch für dich. Nun werde ich versuchen, wenigstens ein Teil des Geldes in die Tempelkasse zu tun. Sie sagen, daß damit Witwen und Waisen geholfen wird. Ansonsten bin ich ganz schön enttäuscht vom diesjährigen Passafest. Dass sie solche Unruhestifter nicht gleich von vorne herein einsperren. Dann blieben uns solche Überraschungen erspart.

Wie ausgemacht werde ich noch einige Wochen hier in Jerusalem bleiben, um bei den Gesetzeslehrern zu lernen. Mal sehen, wie lange mein Geld reicht.

Bis dann also        Dein Sohn Jona

TAGEBUCHEINTRAG DES JÜNGERS JOHANNES

Heute war ich mit Jesus zum ersten Mal in meinem Leben im Tempel. Aber wir kamen nicht weit. Bereits im Vorhof war ein riesen Rummel. Überall standen Stände und Tische mit Opfergaben, Souvenirs und allem möglichen Krimskrams. Ich merkte, wie er immer wütender wurde. Das sei doch nichts anderes als ein wahnsinnig großer Markt, meinte er. Davon, daß der Tempel ein Haus des Gebetes sei, würde man überhaupt nichts mehr merken. Er schlug mit der Hand auf die Tische und brüllte die Händler an, sie sollen schleunigst verschwinden, sie hätten hier nichts mehr verloren. Dann warf er alles um, was ihm gerade im Wege stand. So wütend habe ich ihn noch nie erlebt. Dabei müsste er doch wissen, dass solch eine Aktion seinen Feinden nur Auftrieb geben kann. Auch wenn andere ihm Beifall spendeten, ich habe dabei kein gutes Gefühl. Er hätte ja nicht so sehr provozieren müssen, auch wenn er ja letztlich Recht hat. Ich habe mir den Tempel auch viel heiliger vorgestellt. Von Frömmigkeit war da nicht viel zu spüren. Ich hoffe nur, er weiß, was er macht.

BIBELTEXT

Markus 11 Vers 15 – 18

Und sie kamen nach Jerusalem. Und Jesus ging in den Tempel und fing an auszutreiben die Verkäufer und Käufer im Tempel; und die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler stieß er um und ließ nicht zu, dass jemand etwas durch den Tempel trage. Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker«? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht. Und es kam vor die Hohenpriester und Schriftgelehrten, und sie trachteten danach, wie sie ihn umbrächten. Sie fürchteten sich nämlich vor ihm; denn alles Volk verwunderte sich über seine Lehre.

PREDIGT VON PFR. G. METZGER

Liebe Gemeinde!

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!

Nicht, dass Jesus die Absicht gehabt hätte, die frommen Jerusalempilger davon abzubringen, Gott im Tempel ein Räucher- oder Tieropfer darzubringen. Ihm war lediglich ein Dorn im Auge, dass sich die ganze Geschäftemacherei im heiligen Bezirk, also innerhalb des Tempels abspielte.

„Das Bethaus Gottes eine Räuberhöhle“ – wer orientalische Märkte kennt, weiß, dass es dort zu jedem Kauf dazugehört, dass gefeilscht und gehandelt wird. Und wer die Preise nicht kennt oder eine Ware ganz dringend braucht, wird da schnell übers Ohr gehauen, vor allem die Touristen, von denen sich damals zur Passa-Zeit unzählige Massen in Jerusalem aufhielten. Aber eben, nicht einmal dass Opfertiere unter solchen Umständen gekauft und verkauft wurden, erregte den Zorn Jesu, sondern allein die Tatsache, dass so etwas im Tempel geschieht. Das Jahrhunderte andauernde Geschäft mit dem Tempel hatte sich verselbständigt. Drinnen verdiente man halt mehr als draußen. Das war es, was Jesus anprangerte: Für viele JerusalemerInnen stand nicht mehr der Tempel als Ort der Gegenwart Gottes im Mittelpunkt ihres Interesses, sondern vielmehr das Geschäft, das sie mit und durch den Tempel machen konnten.

Gott wird zum Mittel für ihre Zwecke.

Gott als Mittel zum Zweck:

Eine Gefahr, der unsere Kirche im Laufe ihrer Geschichte immer wieder erlegen ist. Und wisst Ihr: Bei denen unter Euch, liebe KonfirmandInnen, die sich letztlich nur um der Geschenke willen konfirmieren lassen, ist das um kein Haar anders. Nochmals, versteht mich nicht falsch: Es geht nicht darum, Geld oder materielle Dinge zu verteufeln; Ihr sollt euch auch über Eure Geschenke freuen dürfen! Es geht vielmehr darum, dass wir alle uns selbstkritisch fragen, welchen Stellenwert wir diesem Geld oder all dem materiellen Besitz in unsere Leben beimessen in Bezug auf Gott. Oder anders gesagt: Woran wir letztlich unser Herz hängen.

Mit der Geschichte von der Tempelreinigung erinnert uns Jesus daran, dass Gott die Mitte unseres Glaubens und Lebens sein will. Und wo wir das zulassen, wo wir ihm ganz vertrauen, da wird sich unser Leben eben von dieser Mitte her entfalten, werden wir von ihr her, oder besser gesagt, von ihm her unsere Wertmaßstäbe beziehen, bei denen Dankbarkeit, Menschlichkeit, liebevolle Annahme und Verständnis füreinander einen höheren Stellenwert einnehmen als das Streben nach persönlichen Erfolg oder nach Gewinn um jeden Preis.

Martin Luther hat einmal gesagt: „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.“

Es liegt an uns, ob wir unser Herz an ihn hängen, ob wir uns ihm anvertrauen, ob wir uns auf ihn verlassen wollen. Nicht, dass uns dies immer gelingt. Aber seht Ihr, wo uns das gelingt, da begeben wir uns mit ihm auf neue Wege, da öffnen wir uns neuen Erfahrungen mit ihm, da werden sich bei uns Himmel und Erde begegnen und andere werden uns das abspüren und davon bereichert werden.

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