Zum Inhalt springen

Beten als Lebenshaltung – Matthäus 6 V 5-13

Gedanken zum Sonntag Rogate

Matthäus 6,5-13

Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.

Rogate – betet!

Das Gebet ist wohl in fast jeder Religion Grundbestandteil menschlicher Frömmigkeit. Immer wieder begegnen uns die drei großen Frömmigkeitsübungen: Beten – Fasten – Almosengeben, wobei dem Beten eine besondere, zentrale Bedeutung zukommt.

Rogate – betet!

Es ist nötig, dass wir ausdrücklich wieder und wieder daran erinnert werden, wie wichtig das Gebet für uns ist, nicht zuletzt auch deshalb, weil es in unserem Alltag mehr und mehr an Bedeutung zu verlieren droht.

Das wurde mir seinerzeit wieder so richtig bewusst, als ich mich mit einer Reisegruppe 10 Tage lang in Ägypten aufgehalten haben. Unüberhörbar rief dort der Muezzin 5 x am Tag die Menschen zum Gebet, zum ersten Mal schon kurz vor Sonnenaufgang, zum letzten Mal nach Sonnenuntergang.

Wie häufig wurde ich in den Jahren meines Pfarrerdaseins in der Stadt verärgert darauf hingewiesen, dass Menschen es als Belästigung empfinden, wenn unsere Kirchenglocke morgens um 8 Uhr läutet – von 7 Uhr hatten wir aus Rücksichtsnahme schon seit längerem Abstand genommen!

Wobei ich das Ergebnis einer über Jahre hinweg gemachte Umfrage unserer KonfirmandInnen noch für viel alarmierender halte:

Gefragt, weshalb bei uns werktags jeweils um 8 Uhr, 12 Uhr und 18 Uhr eine unserer Kirchenglocken läutet, mussten über 85% der Befragten zugeben, dass sie das nicht wissen.

Also dass sie nicht wissen, dass diese Glocke zu einer alten christlichen Tradition aufruft: Nämlich zum Morgen, zum Mittag und zum Abend ein Gebet zu sprechen.

Es geht noch nicht einmal darum, bei jeder dieser Gelegenheiten tatsächlich ein Gebet sprechen zu müssen. Das tun ja viele Muslime auch nicht.

Aber dass mittlerweile bei uns das Wissen um diese Gelegenheiten zum Beten fast nahezu verloren gegangen ist, das sollte uns schon zu denken geben.

Rogate – betet!

Dabei scheint mir, dass das, wovor Jesus seine ihm Zuhörenden warnt, gar nicht so sehr unser Problem ist. Wo beten denn bei uns heute noch Einzelne an der Öffentlichkeit? Abgesehen davon, damit würde man sich in unserer Gesellschaft doch nicht hervortun oder Anerkennung einheimsen, sondern viel eher noch sich blamieren!

Oder im Bezug auf den anderen Hinweis Jesu mit dem plappernden und wortreichen Gebet: Ich denke, bei uns wird eher zu wenig als zu viel gebetet.

Weshalb ist für uns das Beten so wichtig?

Dazu eine kleine Geschichte:

Es war einmal eine Spinne. Sie saß unten im Gebüsch und hatte sich tagsüber ein herrliches Spinnennetz gewoben. Das Netz war ihr gut gelungen und sie wusste, dass sich bald reiche Beute einstellen werde. Als sie gegen Abend an ihrem Meisterstück entlang krabbelte, entdeckte sie plötzlich einen Faden, der oben ins Gebüsch führte. Und weil sie mit diesem Faden nach oben nichts anzufangen wusste, begann sie damit, ihn ab zu beißen. Und was geschah? Das ganze Netz fiel in sich zusammen, und die Spinne war auf einmal Gefangene ihres eigenen Meisterwerkes.

Die Rückbindung an Gott, die „Absicherung nach oben“ gibt unserem Leben Halt und Stabilität. Das vertraute, vertrauensvolle Ansprechen dessen, der mir mein Leben anvertraut hat und es mir auch heute noch erhält. Ihm gegenüber in Worte zu fassen, was mich gerade bewegt, erfreut, beunruhigt.

Danken und Bitten bringen in gleicher Weise zum Ausdruck die Einsicht, das und bewusst Werden, dass wir Gott zum Leben brauchen. Und genau aus dieser Einstellung heraus erwächst richtiges Beten.

Dann meint Jesus noch: Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, noch bevor ihr ihn darum bittet.

Wozu denn dann noch beten, könnte jetzt jemand fragen? Etwa, weil Gott von uns gebeten sein will, bevor er etwas unternimmt?

Gott braucht unser Danken und Bitten nicht, aber wir brauchen es. Weil uns erst durch Bitten und Danken bewusst wird, dass wir auf Gottes Hilfe und Beistand angewiesen sind.

Gott braucht nicht unsere Informationen, um handeln zu können. Wir brauchen sie vielmehr für uns. Denn Bitten und Danken schaffen bei uns gleichsam eine besondere Lebenseinstellung, eine Lebenshaltung: Sich auf Gottes liebevolle Begleitung angewiesen zu fühlen und sich ihrer gewiss zu sein. Betend gleichsam zugeben zu können: Ich bin mir dessen bewusst, dass meine Kräfte und Fähigkeiten nicht dazu ausreichen, mein Leben mit all den Herausforderungen, vor die es mich täglich neu stellt, zu bewältigen. Und die tröstliche Gewissheit: Ich muss das auch nicht. Weil ich mich begleitet, ja getragen fühle von dem, über den Paul Gerhardt sagt:

„Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann!“

Und dann zeigt uns Jesus am Beispiel des Vaterunsers, einer Kurzfassung des jüdischen 18 – Bitten-Gebets, wie unterschiedlich und umfassend unser Beten aussehen kann und darf:

Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert