GOTT ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit
werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.
Immer wieder wurde ich früher schmunzelnd gefragt: „Na, Herr Pfarrer, wie geht´s denn so mit ihren Schäfchen?“
Also, recht besehen hat ein „Pfarrer“ überhaupt keine Schäfchen. Denn das Wort „Pfarrer“, stammt von „Pfarre“. So wurde seit Alters der Dienstbezirk eines Pfarrers genannt. Der Begriff „Pfarre“ selbst stammt vom griechischen Wort „paroikía“, das eine rechtlich abgegrenzte Gemeinschaft von Gläubigen, der ein Pfarrer vorsteht, bezeichnet.
Bezüglich der „Schafe“ passt eher die in Norddeutschland verwendete Bezeichnung für Pfarrer. Denn dort heißt er „Pastor“.
Das lateinische „Pastor“ bedeutet übersetzt „Hirte“.
Nur, ist ein Pfarrer wirklich der Hirte der „Schafherde“ Gemeinde?
Nach evang. Verständnis ist er vielmehr selbst Teil der Herde, also auch eines von den Schafen.
Wer aber ist dann der Hirte?
Aus dem Blickwinkel des Alten Testamentes lässt sich diese Frage recht eindeutig klären: Gott selbst.
Gott selbst ist der Hirte.
Und es gibt in der ganzen Bibel keinen Text, der diesen Gedanken in schönere, eindrücklichere, tröstlichere Worte fasst als der 23. Psalm, der Psalm vom guten Hirten.
Aus der Fülle seiner Bildworte will ich mich auf drei beschränken. Sie tragen folgende Überschriften:
1. In Gottes Namen
2. Gottesnähe
3. Gelassenheit des Glaubens
1. In Gottes Namen
Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Oder ein wenig anders ausgedrückt: Gott schützt mein Leben. Er kümmert sich um mein leibliches und um mein seelisches Wohlergehen. Er hilft mir, meinen eigenen Weg zu finden.
Weshalb tut er das eigentlich für mich und für dich?
Er tut es, so hören wir, um seines Namens willen. Weil sein Name zugleich ein Versprechen, sein Versprechen an uns ist.
Als Mose ihn fragte „Wie ist dein Name?“ erhielt er zur Antwort: „Ich bin Jahweh.“ Das heißt übersetzt: „Ich werde sein.“ Der „Ich werde für dich da sein.“ Wenn Gott sich um uns kümmert, so allein deshalb, weil er damit sein Versprechen einlöst, das er uns mit seinem Namen gegeben hat. Um seines Namens willen dürfen und können wir auf ihn vertrauen. Er wird immer neu je und je wieder anders für uns da sein!
Im Islam sagt man oft, bevor man etwas anfängt: Bismillah – in Gottes Namen. Und erinnert sich damit daran: Es soll vor Gott Bestand haben können, was ich zu tun beabsichtige.
„In Gottes Namen“ – das sind übrigens seit alters auch die letzten Worte vor dem Guss einer neuen Glocke.
2. Gottesnähe
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Eine erstaunliche Wende im Psalm: Anfangs redet der Beter noch eher distanziert von Gott: Er ist mein Hirte, er weidet mich, er führet mich. Aber genau dann, wenn es um die finstern Täler des Lebens geht, bleibt er nicht bei dieser Distanziertheit. Fährt er nicht fort: Fürchte ich kein Unglück; denn er ist bei mir, sein Stecken und Stab trösten mich. Gerade in der Tiefe, wenn uns kein anderer Halt mehr bleibt, dann überwinden wir am leichtesten unsere Distanziertheit Gott gegenüber. Da beten wir zu ihm, klagen wir ihm unsere Not, ringen wir mit ihm, legen wir unser Leben in seine Hand. Da wird aus dem distanzierten Er das vertrauliche, vertrauensvolle Du. Da wird der, der schon immer für mich da war und ist, mir plötzlich ganz nahe, wird er mir zum Du, weil ich ihn oft erst dann so richtig nahe an mich heran lasse. Dass Gott uns wirklich ganz nahe ist, wird uns oft erst dann so richtig bewusst, wenn wir uns nach seiner Nähe sehnen, und dies geschieht vornehmlich im finstern Tal.
3. Gelassenheit des Glaubens
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Ich bin überzeugt, dass viele diesen Satz einfach nur mitsprechen, weil er halt zum Psalm dazu gehört, ohne sich viel dabei zu denken. Ich zumindest habe lange mit diesem Satz nichts anzufangen gewusst. Bis ich ihn mir einmal ganz einfach bildlich vorgestellt habe, wie ihn der Beter damals möglicherweise in seinem Lebenskontext hätte erleben können:
Ich sitze vor meinem Zelt und sehe in weiter Ferne Staubwolken, die möglicherweise das Herannahen der Feinde ankündigen mögen. Wie würde ich mich verhalten? In Panik verfallen? Hektisch das Wichtigste zusammensuchen, um prophylaktisch erst einmal zu fliehen? Und Gott, was tut er in dieser Situation? Er bereitet vor mir einen Tisch, mit Essen und Trinken und fordert mich auf: „Jetzt stärke dich erst einmal! Lass dich nicht gleich aus der Ruhe bringen! Wer weiß, wie sich das alles noch entwickeln wird! Ich bin doch bei dir.“
Wie leicht lassen wir uns aus der Fassung bringen durch das, was möglicherweise auf uns zukommen könnte. Oft richten bei uns Sorgen, die sich letztlich als unberechtigt erweisen, mehr Schaden an als wenn das eingetroffen wäre, was wir befürchtet hatten.
Gerade in solchen Situationen dürfen wir uns daran erinnern lassen, dass sein Versprechen an uns Gültigkeit besitzt: „Ich werde für dich da sein!“ Und wenn wir uns dies bewusst machen, dann wächst in uns die Gelassenheit des Glaubens, die uns zur Ruhe kommen lässt, die uns die innere Kraft gibt, abwarten und aufmerksam beobachten zu können, wie sich die Dinge entwickeln, ohne gleich in Panik auszubrechen.
„Ich werde für dich da sein, gerade in den finstern Tälern deines Lebens. Bleib gelassen und vertraue mir.“ Mit dieser zusagenden Aufforderung Gottes lässt es sich gut leben.
Und wenn dann im NT auch noch Jesus von sich sagt „Ich bin der gute Hirte“, dann wird deutlich, dass wir in seiner Nachfolge keine weiteren Hirten mehr brauchen.
Und die Geistlichkeit, die PastorInnen, die PfarrerInnen?
Sie alle stehen im Dienste ihres Hirten. Nicht mehr und nicht weniger. Was das konkret bedeuten könnte?
Auf Spanisch heißt „Pfarrer“ auch „pastor/Hirte“. Als ich noch ganz frisch nach Venezuela, wo ich 8 Jahre als Auslandspfarrer tätig war, gekommen bin, habe ich mich meinen spanisch-sprachigen GesprächpartnerInnen vorgestellt als der neue „pastor Alemán“ und wunderte mich dann immer wieder, wenn diese in Lachen ausbrachen, bis irgendjemand mir erklärte, „pastor Alemán“ sei die spanische Bezeichnung für den „Schäferhund“. Ich hatte mich folglich unwissend, wie ich war, als der neue „Schäferhund“ statt als der neue „deutsche Hirte“ vorgestellt. Eingedenk dieser Predigt vielleicht sogar nicht einmal so falsch. Um unserem Hirten zu dienen, reicht es vollkommen, Teil seiner Herde zu sein, eventuell mit einer besonderen Funktion (Stichwort „funktionelles Amtsverständnis“), „ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat“, eben auch mit der Gabe, Pfarrer sein zu dürfen.