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Meditation zu 9/11

Sie lassen mich nicht los,

diese Bilder von Passagierflugzeugen,

die grausam zur Waffe umfunktioniert

todbringend hineinprallen in die beiden Türme,

das Zentrum weltweiter Wirtschaft,

die Wahrzeichen menschlichen Könnens,

einen Feuerball auslösend,

Qualmwolken überall

und Menschen an Fenstern

gefangen in auswegsloser Situation,

hinter sich und vor sich den Tod.

Die verzweifelten Schreie

der von unten Zuschauenden,

immer wieder: „Oh my God!“

Die Panik auf den Straßen.

Vor Schrecken erstarrte Gesichter.

Das Pentagon im Flammen,

ebenfalls getroffen

von einer mit Menschen gefüllten Bombe –

das Zentrum amerikanischer Sicherheit

der Unsicherheit preisgegeben.

Und das Außenministerium

nach der gewaltigen Explosion einer Autobombe.

Ein Horrorscenario –

von Menschen bewusst geschaffen

um Angst und Schrecken zu verbreiten

um zu diffamieren:

„Seht, so viel wert ist eure Sicherheit.“

Und dann der Einsturz des Turmbaus

Ein in sich zusammensinkender Sarg für Tausende,

gewaltige Staubwolken verursachend,

vor denen Menschen schreiend davonlaufen

ohne ihnen entkommen zu können

alles mit Staub zudeckend,

so als ob die Katastrophe selbst

sich unsichtbar machen wollte.

Ungläubig sah ich sie zuerst, diese Bilder.

Das kann nicht möglich sein!

Und dann immer wieder dieselben Bilder

Stunde um Stunde

Unausweichlich

Nicht einmal fassungslos,

nicht einmal unfähig zu begreifen

gelingt es,

der Wirklichkeit zu entkommen.

Wer kann so etwas nur planen

Und dann auch noch tun?!

Was passiert noch alles?

Sind noch mehr Flugzeuge entführt?

Niemand weiß es so richtig.

Es herrscht Chaos.

Wird sich jemand des Chaos bemächtigen,

es zu seinen Gunsten ausnützen?

Und dann nach vielen Stunden

Die Ruhe des Todes und der Vernichtung.

Krampfhaftes Suchen nach Überlebenden.

Spekulationen über die Täter

Telefonate der Todgeweihten mit ihren Angehörigen

Unglaubliches ist geschehen.

Unglaubliches Leid über das amerikanische Volk gekommen

Und über die Welt,

die am Dienstag nicht nur exemplarisch,

sondern selbst im Innersten getroffen wurde.

Dunkle Erfahrungen, Dunkelheit in uns drinnen.

Zu ihr dürfen, zu ihr müssen wir stehen

Wir müssen sie zulassen bei uns selbst,

um zu unserer Trauer,

zu unserer Bestürzung,

zu unseren Ängsten hinabzufinden.

Finsternis lässt sich nicht überwinden,

indem wir sie negieren,

verdrängen,

überspielen.

Vielleicht hilft uns die Musik,

sie anzunehmen, zuzulassen

um sie so auch herauszulassen.

Vielleicht hilft es uns dabei,

wenn wir während der Musik

nach vorne zum Altar gehen,

um ein Licht zu entzünden

für die Toten und die Lebenden dort.

Denn das Licht, das wir andern geben,

leuchtet auch für uns.

MUSIK – KERZENENTZÜNDEN

Aus tiefer Not schrei ich zu dir –

Gott sei Dank sind wir nicht nur auf uns selbst angewiesen

Und das nicht nur in dieser Situation.

Doch was nützt Gott,

wenn er das alles zuläßt?

Wenn er zuläßt,

was wir zulassen?

Gott will für uns das Leben.

Dafür hat er uns ausgerüstet

Mit Verstand und Gefühl

Mit dem, was wir können,

und mit dem,

dass wir wissen, was wir nicht dürfen

Und er gab uns die Freiheit, uns zu entscheiden.

Wie schwer muss es für ihn sein,

immer wieder miterleben zu müssen,

wie wir Menschen seine Gaben zum Guten einsetzen,

um Böses zu tun.

Im Großen wie im Kleinen.

Ob für Gott der vergangene Dienstag ein Tag der Trauer ist?

Ich denke ja.

Denn wenn der Mensch zerstört,

was Gott in Liebe ins Leben gerufen hat,

wird er um seiner Liebe willen deshalb leiden.

Wozu ein Gottesdienst in dieser Situation?

Weil der, der auch uns

in Liebe ins Leben gerufen hat,

gerade in solch einer Situation für uns da ist,

um uns in unserer Trauer,

Verwirrung,

Klage,

um uns in unserer ganzen Verunsicherung

ernst- und anzunehmen,

um uns das Gefühl der Geborgenheit zu vermitteln

„Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir.“

Und wie soll es dann weitergehen?

„Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten;

Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.“

Die Saat der Gewalt hatte grausame Früchte

am vergangenen Dienstag.

Und schon wird vielerorts über Gegengewalt nachgedacht.

Aber Hass ist genauso wie Angst ein schlechter Ratgeber.

Was der Mensch sät, das wird er ernten.

Es gilt zu suchen nach dem,

was dem Frieden dient.

Samen des Friedens,

etwa ein Gottesdienst wie dieser heute

oder die vielen sonst auf der Welt

Sensibilität für Ungerechtigkeit,

und eben nicht nur dann,

wenn sie mich selbst betrifft

Bereitschaft und Engagement für die Gemeinschaft,

in der wir leben

statt individualistischer Egoismus.

Lernbereitschaft für Barmherzigkeit

und Güte

im Umgang miteinander.

Augen, die liebevoll ansehen,

Ohren, die liebevoll zuhören,

Münder, die liebevolle Worte finden

Und Hände, die zu liebevoller Umarmung fähig sind.

Dazu möge uns Gott Kraft und Mut

und Ausdauer geben,

gerade auch jetzt.

Samen des Friedens,

Samen der Hoffnung.

Und dann eben auch:

„Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten;

Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.“

Deshalb habe ich Hoffnung.

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