Predigt anlässlich eines Gottesdienstes zum Thema „Hospiz“
Lässt sich zum Thema „Hospiz“, also zu Sterben, Sterbebegleitung und Tod überhaupt ein Gottesdienst für die Allgemeinheit gestalten? Sind diese Themen nicht viel zu persönlich oder eher nur für diejenigen bestimmt, die konkret damit zu tun haben?
Wisst Ihr, in unserer Wellness- und Event-Welt, in der nur der junge oder der zumindest „ewig“ jung gebliebene Mensch zählt, ist der Tod und alles, was zum Tod dazugehört, ein echter Störfaktor, der dann eben mit Vorliebe tot geschwiegen wird.
Über Sterben und Tod wird in unserer Gesellschaft meist nur dann gesprochen, wenn wir diesem Thema gar nicht mehr ausweichen können. Und oft nicht einmal dann. Wir sind und wir bleiben dem Phänomen Tod gegenüber sprachlos, weil wir es gar nicht gelernt, weil wir es gar nicht eingeübt haben, darüber zu reden. Weil es uns zu leicht gemacht wird, ja, weil wir es uns zu leicht machen damit, nicht über dieses Thema reden zu müssen.
So passierte es mir nicht selten bei Besuchen bei Sterbenden, dass ich vorher von den Angehörigen auf die Seite genommen wurde mit der Bitte: „Sagen Sie ihm bitte nicht, wie es um ihn steht. Denn er weiß es noch gar nicht.“
Das heißt im Klartext: Wir haben es bisher noch nicht geschafft, mit ihm darüber zu sprechen! Und deshalb soll ich es dann bitte auch nicht tun. Denn wer weiß, was sich daraus für sie noch an bedrohlichen Gesprächen entwickeln könnte!
Es ist gewiss nicht leicht, mit einem kranken oder sterbenden Menschen über seinen möglicherweise nahen Tod zu reden. Es bedarf einer großen Sensibilität und Bereitschaft, auf das Gegenüber zu hören und einzugehen, um herauszuspüren, was gesagt werden kann und was nicht. Aber wo ein solches Miteinander-ins-Gespräch-Kommen gelingt, ist der Lohn für dieses Wagnis eine ungeheuer tiefe Begegnung zwischen zwei Menschen, die vor allem bei Familienangehörigen als äußerst wichtig und beglückend erlebt werden kann.
Es mag sein, dass es Situationen gibt, in denen solch ein offenes Gespräch auf Wunsch des kranken oder sterbenden Menschen nicht zu Stande kommt. Dann muss dies respektiert, ihm auch nicht aufgezwungen werden.
Nur, Sterbende wissen meist sehr genau, wie es um sie steht. Wie belämmernd muss es für sie da immer wieder sein, zu hören zu bekommen: „Kopf hoch, das wird schon wieder!“ Wir sollten uns da nichts vormachen!
„Ich werde bei dir sein!“
Ein wohltuendes Versprechen! Ich werde dort sein, wo du gerade bist. Da geht es nicht so sehr um die äußere Lokalität, sondern um den inneren Ort. Ich werde mich in die Begegnung mit dir wagen, in die Begegnung mit deinen Ängsten und Hoffnungen, in die Begegnung mit deiner Unruhe und deiner Stille. „Ich werde ganz bei dir sein, jedoch nur so nahe, wie du selbst es willst.“
„Ich werde bei dir sein!“
Diese ganzheitliche Begleitung bei Schwerkranken und Sterbenden Wirklichkeit werden zu lassen, ist eines der Hauptziele der Hospizarbeit durch sich wiederholende Besuche bis hin zu Sitz- oder Nachtwachen.
„Ich werde bei dir sein!“
Diese Zusage gilt zugleich auch den Angehörigen, die oftmals mit der Last des Pflegens und der Erfahrung, dass der ihnen liebe Mensch so leiden muss, nicht mehr alleine zu Recht kommen. Während das Mitglied der Hospizgruppe bei ihrem kranken Menschen weilt, können sie einen Moment lang neuen Atem schöpfen oder ein wenig zur Ruhe, zu Kräften kommen.
Zugleich haben sie dadurch einen Menschen bei sich, der ihre Situation kennt und deshalb Verständnis für ihre Gefühle, Ängste und Sorgen hat, mit dem sie darüber und über alles, was sie sonst noch bewegt, sprechen oder eben auch schweigen können mit der Sicherheit der absoluten Verschwiegenheit.
„Ich werde bei dir sein!“
Diese Zusage bekommt vor allem dann noch einmal eine neue Bedeutung, wenn der betreute kranke Mensch gestorben ist und die Zurückbleibenden Begleitung in ihrer Trauer brauchen und diese durch das mittlerweile vertraut gewordene Mitglied der Hospiz-Gruppe erhalten können.
Hospiz – ehrenamtliche Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden und ihrer Angehörigen – auch dann, wenn der Tod eingetroffen ist. Eine Begleitung, die jeder Mensch bekommt, der um sie bittet, egal welcher Religion er angehört oder eben auch keiner. Eine Begleitung durch Menschen, die dafür speziell geschult werden und für andere da sein wollen.
„Ich werde bei dir sein!“
Solch ein Versprechen macht ruhig und gibt Sicherheit. Glücklich der Mensch, der auf dieses Versprechen vertrauen kann und darf!
Wisst Ihr, was das Schöne ist?
Uns allen gilt dieses Versprechen, das uns Gott in seinem Namen offenbart hat. Denn JHWH („Jahwe“) heißt übersetzt: „Ich werde sein, ich werde bei dir sein.“
Das ist Gottes Versprechen! Egal, was auch immer sein oder kommen mag: „Ich werde bei dir sein!“ Ich werde dir Wege zeigen heraus aus deinen Tiefen. Ich will, dass du frei bist. Ich will dir deine Tränen trocknen und die Angst vertreiben, die dich erstarren lässt. „Ich werde bei dir sein!“
Was gibt es Schöneres, als dieses göttliche Versprechen weiterzugeben an die Menschen, die dich brauchen, die auf deine Hilfe und dein Verständnis angewiesen sind?!
„Ich werde bei dir sein!“
Egal, was sein wird!
Wie schön, wenn Kinder dies von ihren Eltern wissen und Eltern von ihren Kindern!
Wie wichtig ist dieses Versprechen für die Substanz einer Partnerschaft oder Freundschaft!
„Ich werde bei dir sein, wenn du mich brauchst!“
Sagt Gott.
Und er will, dass wir seinem Beispiel folgen.