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„ecce homo“ – Joh. 19,1-5

Da nahm Pilatus Jesus und ließ ihn geißeln. Und die Soldaten flochten eine Krone aus Dornen und setzten sie auf sein Haupt und legten ihm ein Purpurgewand an und traten zu ihm und sprachen: Sei gegrüßt, König der Juden!, und schlugen ihm ins Gesicht.

Da ging Pilatus wieder hinaus und sprach zu ihnen: Seht, ich führe ihn heraus zu euch, damit ihr erkennt, dass ich keine Schuld an ihm finde. Und Jesus kam heraus und trug die Dornenkrone und das Purpurgewand. Und Pilatus spricht zu ihnen: Seht, welch ein Mensch!

Seht, welch ein Mensch!

Oder auf Lateinisch: Ecce homo!

Grausam ausgepeitscht hatten sie ihn und dabei halb totgeschlagen.

Eine Dornenkrone hatten seine Peiniger ihm in die Kopfhaut gepresst, ihn gequält und verhöhnt.

Mit seinen Kräften am Ende, von Schmerzen gekrümmt, kaum noch fähig, sich auf den Beinen zu halten: So steht er vor der grölenden Menschenmenge, erbärmlich, jeglicher menschlicher Würde beraubt.

„Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, der Leute Spott,

von der Menge verachtet. Alle, die mich sehen,

verspotten mich, zerreißen sich den Mund über mich.“ Psalm 22

Seht, welch ein Mensch!

Der Emmendinger Künstler Patrick Groß hat diese Szene in seinem 2003 gemalten Bild „Christusprinzip“ aufgenommen und eindrücklich dargestellt (siehe am Ende dieser Seite).

Jesus als weiße Gestalt, mit unnatürlicher, von Schwachheit und Schmerzen verkrümmter Körperhaltung, aller Würde entblößt, schutzlos, nackt.

Die Dornenkrone scheint den Kopf nach unten zu drücken. Die Lippen aufeinandergepresst, die Augen geschlossen.

Seht, welch ein Mensch, wird Pilatus über ihn sagen.

Und auch das Kreuz ist bereits präsent auf diesem Bild.

Ist es das Vorzeichen für die letzte Steigerung der Folter, die ihm bevorsteht, das grausam langsame Ersticken am Kreuz?

Oder ist es der Hinweis auf die letzte Konsequenz seines Leidens, auf das Grab?

Eine erbarmungswürdige Gestalt!

Und die vielen Rottöne um ihn herum?

Ist es das Blut, das aus seinem Körper gewichen ist, das er vergossen hat, weil er seinem Weg treu geblieben ist?

Ein Bild des Jammers, dieser Jesus. Schutzlos der Willkür der Mächtigen ausgeliefert.

Und niemand da, der ihm, der so vielen geholfen hat, zur Hilfe kommt.

Ecce homo!

So steht es am rechten unteren Bildrand.

Seht, welch ein Mensch!

Mit diesem Bild verbietet uns Patrick Groß jegliche Romantisierung des Leidens Jesu.

Das, was damals an Karfreitag mit Jesus passiert ist, war grausam und brutal, unmenschlich und menschenverachtend, war unentschuldbar gewalttätig.

Schlimmer kann ein Mensch kaum sterben.

Das sollten wir nie vergessen.

Diesen grausamen und brutalen Tod hat Jesus erlitten, weil er bis in die letzte Konsequenz des Todes am Kreuz hinein seinem Auftrag, seinem Weg, seiner Verkündigung treu geblieben ist, all seinen Kritikern und Widersachern zum Trotz.

Und wie verstand er sein Auftrag, sein Weg, seine Verkündigung?

Er selbst hat es so auf einen Nenner gebracht:

Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen und ganzer Seele und mit all deinem Gemüt. Und: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

Die Liebe zu Gott und dem Menschen und zu sich selbst, die ihren Ursprung hat in der Liebe Gottes zu uns.

In seinem Gleichnis vom verlorenen Sohn hat Jesus eindrücklich geschildert, was das Besondere ist an dieser Liebe Gottes:

Dass Gott uns um unsrer selbst willen liebt und nicht erst dann, wenn wir so sind, wie er uns gerne hätte. Dass Gott uns liebt mit all unseren Fehlern, Schwächen, mit all unserem Versagen und Kleinglauben.

Und genau damit kam Jesus in Konflikte mit frommen Zeitgenossen, die ihm hier energisch widersprachen, indem sie behaupteten, dass für Gott letztlich nicht die Liebe, sondern nur die Gerechtigkeit zählt, ja sogar, dass selbst Gott an seine Gerechtigkeit gebunden sei.

Weil Jesus ihnen massiv und vor allem öffentlich widersprach und mit seiner Predigt von der Gottes- und Menschenliebe zunehmend AnhängerInnen im Volk fand,  wurde er zu einer Gefahr für das religiöse und politische Establishment, das sich seiner zu entledigen versuchte und dies an Karfreitag mit Hilfe der Besatzungsmacht dann auch auf grausame Art und Weise – zumindest für eine gewisse Zeit! – schaffte.

Aber die Botschaft Jesu starb nicht am Kreuz. Sie lebt, bis heute.

Seht, welch ein Mensch!

Blicken wir noch einmal auf das Bild von Patrik Groß.

Ein Bild des Jammers, hatte ich es anfänglich bezeichnet.

Ein Bild, das wenig Hoffnung macht.

Aber wenn wir uns die Gestalt des Jesus genauer anschauen, dann fällt plötzlich auf, dass der weiße Körper rundherum umgeben ist von Licht.

Der Gepeinigte wird zur Lichtgestalt.

In seiner ganzen Qual und Ohnmacht bleibt er der Leuchtende, bleibt er der, der selbst im Leiden etwas ausstrahlt von seiner Botschaft, bleibt er Gottes Hoffnungszeichen der Liebe für uns.

So, dass „Seht, welch ein Mensch!“ dann eben nicht mehr für uns bedeutet:

Seht, was für ein bedauerungswürdiger, armer Mensch!

Sondern vielmehr:

Seht, was für ein außergewöhnlicher Mensch, dieser Jesus!

Ihm, seiner Botschaft lohnt es nachzufolgen.

Das Foto zu diesem Artikel ist ein Auschnitt aus einem Bild des Emmendinger Künstlers Patrick Groß mit dem Titel „Christusprinzip“, geschaffen im Janr 2003 im Rahmen einer Serie von in ähnlicher Weise gemalten Bildern, die er später, als die Stadt ihn zwang, seine Wohnwagenunterkunft An der Elz zu verlassen, allesamt verbrannt hat. Dieses Bild blieb vor diesem Schicksal bewahrt, weil er es mir einige Zeit zuvor geschenkt hatte. Für gottesdienstliche Zwecke ist die Verwendung dieses Bildes erlaubt.

„Christusprinzip“ Patrick Groß Emmendingen 2003
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