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Ökumene-Konzept stichwortartig

Gedanken zum Thema Einheit der Kirche – Kirchentrennung

Es gibt vor allem zwei gegensätzliche Ausgangspunkte für die Beschäftigung mit diesem Thema, die dementsprechend, für welchen man sich entscheidet, auch unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen:

1. Die Einheit der Kirche, durch die historischen Spaltungen zerstört, muss von uns wiederhergestellt werden. Die unterschiedlichen Konfessionen sind Folge der Trennungen.

Ich möchte dies als „monopolistisches“ Kirchenverständnis bezeichnen. In ihm gibt es eine „Kirche“ (besser Konfession), die von sich behauptet, nur sie sei die „wahre“ Kirche und alle anderen „Kirchen“ (besser Konfessionen) wären nur Abspaltungen von ihr und würden in der Konsequenz deshalb nur partiell an der „Wahrheit“, an der „wahren Kirche“ teilhaben (z.B. „Dominus Jesus“).

Konsequenzen:

  1. Welche der bestehenden Kirchen ist „orthodox“ (d.h. Wächterin der „wahren Lehre“)?

z.B.: Anspruch der römisch-katholischen Kirche, die katholische (d.h. die weltumfassende) Kirche Jesu Christi zu repräsentieren (subsistieren = in ihr besteht die eine Kirche Christi). =>Monopol für Bezeichnung „katholisch“?!

Anfrage: Wie „katholisch“ sind wir Evangelischen?

Wir sollten unser Kirchesein nicht aus der uns von römisch-katholischer Sicht aufgedrängten Defizienz heraus definieren, sondern mit neuem Selbstbewußtsein uns in derselben Weise und mit demselben Recht als „katholisch“ fühlen.

Oder die „orthodoxe“ Kirche, die sich deshalb so nennt?

  • Wie soll die „Wiedervereinigung“ aussehen? Etwa so wie die deutsche Wiedervereinigung, in der der eine im anderen aufzugehen hatte?!
  • Worauf muss der eine zu Gunsten dieser Wiedervereinigung verzichten, was muß der andere aus diesem Grund („widerwillig“) anzunehmen bereit sein?
  • Gab es überhaupt je eine „einheitliche“ Kirche Jesu Christi?

(vergl. Apostelkonzil in Apg 15: der Kompromiß zum theologischen Grundsatzthema „Beschneidung“; oder die unterschiedlichen Gruppierungen unmittelbar seit Beginn der Geschichte des Urchristentums)

  • Wer ist berechtigt, festzustellen, ob die „Einheit“ schon erreicht ist oder noch nicht (ganz)?

2. Es gibt von ihrem Herrn und Wesen her nur die eine Kirche Jesu Christi. Die unterschiedlichen Konfessionen sind demnach die (logischen, legitimen, notwendigen) Folgen dieser Einheit. Das heißt: Es gilt, in und trotz aller konfessionellen und innerkonfessionellen Unterschiedlichkeit diese Einheit der Kirche miteinander und füreinander zu leben.

Kirche als „opus Dei“ (Werk Gottes und nicht als Werk der Menschen!) ist von Gott her ein für uns unveränderbares Faktum.

Begründung z.B. Eph 4,1-7; 1.Kor 12; Röm 12,4ff

Eph 4 => Kirche als Leib Christi: es gibt keinen römisch-katholischen oder evangelischen oder orthodoxen Leib Christi!

„Ihr seid der Leib Christ, und jeder von euch ist ein Glied an ihm.“

„Ein Geist, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“

Demut, Sanftmut und Geduld statt (konfessionellem) Hochmut, Machtdemonstration und Intoleranz.

„Ertragt einander in Liebe.“ =>Diese Aufforderung wäre sinnlos ohne (vielleicht sogar schmerzende) Unterschiede (Apostelkonzil!).

Aufforderung nicht: „Stellt die verlorene Einheit wieder her!“, sonder: „Seid darauf bedacht zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens.“

Statt Wahrung der Einigkeit im Geist bei uns eher „Verteidigung der Einzigartigkeit unseres Geistes / sprich unserer Konfession“!

Kirche ist von ihrem Anspruch her und aufgrund ihrer Entwicklung immer „kontextuelle“ Kirche. Sie kann und darf sich nicht „uniform“ entwickeln, um je und je „konkret“ und „konkrete“ Kirche zu sein. Unterschiedliche kontextuelle Voraussetzung haben unterschiedlich konfessionelle Entwicklungen zur Folge (eigene Geschichte, Traditionen, lokale Riten und Bräuche, Mentalität; keine Angst vor „Synkretismus“!).

Aus ihrem Wesen heraus ergibt sich der Facettenreichtum der Existenz und der Verkündigung der Kirche.

Ich möchte diese Sichtweise von Kirche als „komplimentäres Kirchenverständnis“ bezeichnen. Die unterschiedlichen Konfessionen ergänzen sich gegenseitig zu „der einen Kirche Jesu Christi“, die ohne die jeweils anderen unvollständig bleibt. Jede der Konfessionen hat hier ihr Recht auf Individualität, jedoch im Bewusstsein und im Bekenntnis, ohne die Gemeinschaft mit den anderen Konfessionen (auf Augenhöhe!) als Kirche unvollständig zu sein. Dies mag manchmal in der Konsequenz nicht so einfach sein und das Ringen um die jeweils notwendige Konkretion von Kirchesein mit sich bringen. Aber nur so bleibt die Kirche „lebendige“ Kirche!

=> neues Verständnis für die Unterschiedlichkeit der Konfessionen:

  1. Unterschiedliche Formen = Gehhilfen für den Glauben = Krücken.

Sie dürfen/müssen unterschiedlich sein, weil wir ChristInnen unterschiedlich sind. Aber: Was mich stützt, kann den anderen behindern. Gestehen wir uns doch gegenseitig unsere Gehhilfen zu und achten wir zugleich gemeinsam darauf, daß diese Formen sich bei uns nicht verselbständigen bzw. ihren „Hilfscharakter“ verlieren, weil sie für uns plötzlich zum Inhalt geworden sind (z.B. Marienfrömmigkeit, Bekehrungserlebnisse etc.).

2. Wie, wenn wir konfessionelle Unterschiede als Gabe füreinander verstehen lernten? Als Anregung, Erinnerung, Ergänzung (eben auch im Sinne von „ein Leib und viele Glieder“, dass wir als Konfessionen miteinander und füreinander Glieder an dem einen Leib Christi sind?) (füreinander Traditionen bewahrt wie z.B. Taufkerze, Osternacht, Bibelarbeit, Krankensalbung etc.). Dankbar dafür, dass andere in ihrem Zeugendienst tun können, was mir vielleicht total fremd ist oder gar widerstrebt ==> miteinander den Facettenreichtum von Kirchesein leben.

Wir würden so vielleicht lernen, uns als konfessionelle Gegenüber aus einem ganz neuen (aus Gottes?) Blickwinkel zu sehen, gnädiger, liebevoller, dankbarer, geschwisterlicher.

3. Wir sollten bewusster das Reden von den „Kirchen“ vermeiden, weil es s. o. nur die „eine Kirche“ gibt, aber eben viele Konfessionen.

Wichtig für diese Kirche: Nicht konfessionelle Vormacht zählt, sondern Vollmacht (= sich gegenseitig als von Gott in Jesus Christus Bevollmächtigte zu erkennen und anzuerkennen) im Zeugnis für den einen, dreieinigen Gott, der uns berufen hat, in der Gemeinschaft der Konfessionen seine Kirche zu sein, geeint im Glauben an ihn allein durch ihn und gerade dadurch zum Aushalten unserer Unterschiedlichkeit befähigt.

Konsequenz:

Es muss uns nicht mehr darum gehen, die „verlorene“ Einheit der Kirche wieder herzustellen durch die (niemals in für alle Beteiligten befriedigender und zugleich allen gerecht werdender Weise zu erreichende) Überwindung der Konfessionen, sondern darum, diese Einheit in der Unterschiedlichkeit der Konfessionen als Gleichberechtigte sich gegenseitig auf Augenhöhe anerkennend füreinander zu leben.

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